Verjährung und Ausschlussfristen
Beispiel:
Der O hat sich im Sommer 2011 ein Boot gemietet. Damals
hatte das Boot einen Mangel, weshalb O bei der Rückgabe nur die Hälfte
des vereinbarten Mietpreises zahlen musste. Im Jahre 2018 kommt der
Vermieter auf den O mit der Einforderung des Restbetrages zu. Er hat einen
schriftlichen Vertrag in welchem der vereinbarte Mietzins steht. O kann
mit Hilfe der damals erhaltenen Quittung aber nur die Zahlung der Hälfte
des Mietzinses beweisen. Über die damals getroffene Vereinbarung weiß
er zwar noch Bescheid, er weiß aber nicht mehr, wer alles anwesend
war, um dies zu bezeugen.
1. Was ist Verjährung?
Die Verjährung führt nicht zum Erlöschen eines Rechtes,
wie oft vermutet wird. Verjährung ist ein Rechtsinstitut, welches
entwickelt wurde, um eine Forderung, die ein gewisses Alter hat, nicht mehr
durchsetzbar zu machen. Grund dafür ist, dass durch erheblichen
Zeitablauf die Aufklärung der tatsächlichen Situation nicht mehr
möglich ist. Die Zeugen und Beteiligten erinnern sich nicht mehr so
genau, Beweismittel sind verschwunden und ähnliches. Die Verjährung
soll also vor einer Verdrehung der Rechtslage durch solche zeitbedingten
Verluste von Informationen und Beweismitteln schützen. Sie hat eine
Befriedungsfunktion.
Die Verjährung ist eine Einrede.
Einreden werden vom Richter nicht einfach so berücksichtigt. Sie müssen
vielmehr geltend gemacht werden.
In einem Prozess gegen O müsste sich der
O also ausdrücklich gegenüber dem Richter auf die Verjährung
der Forderung berufen. Tut er dies nicht, so darf der Richter dies auch
nicht berücksichtigen.
Daraus ergibt sich, dass die Verjährung ein Recht nicht vernichtet,
sondern nur dessen Durchsetzung hemmt.
2. Wann verjährt eine Forderung?
Seit
dem 01.01.2002 gilt ein neues Verjährungsrecht. Dabei
beträgt die
regelmäßige Verjährungszeit, also die
Verjährungszeit für Ansprüche, bei denen keine andere Verjährung
im Gesetz geregelt ist
3 Jahre. §
199 BGB .
(
wichtige abweichende gesetzliche Regeln)
aa) Beginn der Verjährung
Die Verjährung
beginnt jedoch mit dem Ende des Jahres zu laufen,
in dem folgende Voraussetzungen eingetreten sind:
-
der Anspruch ist entstanden
Dem Eigen wurde sein Fahrzeug beschädigt. Er hat einen Schadensersatzanspruch
gegen den Schädiger, der fällig ist.
-
Der Gläubiger erhält Kenntnis von den anspruchsbegründenden
Tatsachen und der Person des Schuldners
Solange Eigen nicht weiß wer sein Auto beschädigt hat,
beginnt die regelmäßige Verjährung nicht zu laufen. Erst am Ende des Jahres, in
dem Eigen erfährt, wer den Schaden verursacht hat, beginnt die dreijährige
Verjährungsfrist zu laufen.
Selbst wenn der Anspruch erst sehr spät entsteht oder der Anspruchsinhaber
nicht erfährt, dass oder gegen wen er diesen
Anspruch hat, so verjähren diese Ansprüche trotzdem (sog. absolute Verjährung), und zwar
nach 30 Jahren:
-
Schadensersatzanspruch aus Verletzung des Lebens, des Körpers,
der Gesundheit oder der Freiheit ab dem schadensauslösenden Ereignis
Im Jahr 2012 wird Frieda Leidlich bei einem Verkehrsunfall leicht
verletzt. Im Jahr 2043 stellt der Arzt fest, dass ein kleiner Schaden zurückgeblieben
ist, der inzwischen zu einem erheblichen Wirbelsäulenleiden geführt
hat. Die Ansprüche gegen den Schädiger sind aber mit Ende des
Jahres 2042 verjährt.
-
Schadensersatzanspruch der erst nach dem schadensauslösenden
Ereignis entstehen ab dem schadensauslösenden Ereignis
Bei dem Unfall wurde auch die Uhr - ein altes Erbstück- leicht
geschädigt. Dabei wurde ein Bauteil der Uhr nicht sichtbar beschädigt.
Nach 20 Jahren geht das beschädigte Bauteil so entzwei, dass die Uhr
funktionsunfähig wird. Ein Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten
ist erst jetzt entstanden und deshalb nicht verjährt.
nach nur 10 Jahren:
-
Schadensersatzanspruch, der nicht aus Verletzung des Lebens,
des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit resultieren ab der Entstehung des Anspruches.
Wegen der Beschädigung der Uhr hat Frieda Leidlich sieben Jahre
nach dem Unfall die Uhr von einem Uhrmacher nachbessern lassen.
Dieser hat Sie auf das gelöste Rädchen hingewiesen. Tritt
jetzt nach 20 Jahren ein Schaden wegen der Verschiebung auf, so ist dieser
bereits verjährt, da Frieda schon 2019 Kenntnis vom Schaden hatte.
-
Anderer Anspruch als ein Schadensersatzanspruch (z.B. Ansprüche auf
Vertragserfüllung, familiärer Unterhalt, ...) ab Entstehung des Anspruches.
Merke: Wurden durch schadensauslösendes Ereignis, Entstehung des Anspruches oder durch Kenntnis des Anspruches unterschiedliche Verjährungsfristen ausgelöst, so gilt für den Eintritt der Verjährung immer die am frühesten endende Frist!
bb) Wichtige Verjährungsfristen
Neben der Regelverjährung sieht das Gesetz für zahlreiche andere Ansprüche andere Verjährungsfristen vor.
-
Forderung aus Grundstücksvertrag oder Recht an einem Grundstück
verjähren nach 10 Jahren § 196 BGB
-
Forderung aus Mängeln bei einem Kaufvertrag verjähren
-
nach 30 Jahren, wenn der Mangel dazu verpflichtet die Sache an einen Dritten
herauszugeben (z.B. Kauf einer gestohlenen Sache) oder auf einem im Grundbuch
eingetragenen Recht basiert
-
fünf Jahren bei Mängeln an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken
-
ansonsten in zwei Jahren
ab Übergabe der Kaufsache.
-
der Schadensersatzanspruch des Vermieters verjährt in sechs Monaten
ab Rückgabe der Mietsache § 548 BGB
-
Anspruch auf Herausgabe unerlaubt erlangter Vorteile innerhalb von
10 Jahren ab Erlangung der Vorteile § 852 BGB, spätestens
aber nach 30 Jahren.
-
Anspruch des Reisenden aus Mängeln in zwei Jahren ab vereinbartem
Beendigungstermin der Reise. § 651 g BGB - seit 01.07.2018 § 651 j BGB
-
Ein Anspruch, der in einem Urteil festgestellt ist. (Achtung: bei regelmäßig wiederkehrenden Leistungen (Miete) oder Unterhaltsansprüchen gilt selbst bei Urteilen die regelmäßige Verjährungsfrist!)
Im Jahr 2012 hat Frieda Leidlich ein Urteil erhalten, nach dem Sie
von Klamm einmalig 4.000 € zu erhalten hat. Selbst im Jahr 2029 kann
Frieda noch aus diesem Urteil vollstrecken. Wenn Frieda jedoch einen Titel über ehelichen Unterhalt erwirkt hat, kann Sie nur innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist vollstrecken.(siehe jedoch unter Neubeginn der Verjährung)
3. Unterbrechung und Hemmung der Verjährung
Die Verjährung lauft nicht einfach so ab. Sie kann durch Handeln der
Parteien oder durch äußere Umstände unterbrochen oder gehemmt
werden.
aa) Hemmung der Verjährung § 209 BGB n.F.
Die Hemmung der Verjährung bewirkt, dass der Zeitraum, in welchem
die Verjährung gehemmt ist nicht in den Verjährungszeitraum mit
einbezogen ist.
Die Gründe für die Hemmung sind vor allem in dem §§
203 ff. BGB n. F. neu geregelt.
Hemmungsgründe sind daher seit dem 01.01.2002:
-
Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechtes
-
Anspruch zwischen
-
Lebenspartnern, solange die Lebenspartnerschaft besteht,
-
Eltern und Kindern und dem Ehegatten eines Elternteils und dessen Kindern
während der Minderjährigkeit der Kinder,
-
dem Vormund und dem Mündel während der Dauer des Vormundschaftsverhältnisses,
-
dem Betreuten und dem Betreuer während der Dauer des Betreuungsverhältnisses,
und
-
dem Pflegling und dem Pfleger während der Dauer der Pflegschaft.
-
während der Dauer von Verhandlungen
-
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs,
auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
-
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren,
-
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
-
die Zustellung der Streitverkündung,
-
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen
Verteilungsverfahren,
-
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung
von Prozesskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung
des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits
mit der Einreichung ein.
Achtung die früher geltende Hemmung des Mangelanspruches
des Reisenden während der erstmaligen Mangelbearbeitung durch den
Veranstalter gilt für alle Mangelanzeigen nach dem 01.01.2002 nicht
mehr.
bb) Unterbrechung/Neubeginn der Verjährung §
217 BGB
Durch die Schuldrechtsreform wurde der Begriff der Unterbrechung der Verjährung
durch den Charakteristisch eher zutreffenden Begriff des Neubeginns der
Verjährung ersetzt. Der Neubeginn meint, dass die Verjährungsfrist
nach Beendigung der Unterbrechung von vorn zu laufen beginnt. Unterbrechungen
gibt es anders als vor dem 01.01.2002. nur noch
-
wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch
Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise
anerkennt, oder
-
eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen
oder beantragt wird.
4. Die Ausschlussfristen
Ausschlussfristen sind Fristen, die ein Recht vernichten können.
Sie sind in
Gegensatz zur Verjährung auch ohne
Geltendmachung vom Richter zu berücksichtigen.
Ausschlussfristen bestehen z.B.
-
bei Vermieterpfandrechten, wenn der Vermieter seine Rechte nicht innerhalb
eines Monats ab Entfernung der Sachen geltend macht § 562 b II S.
2 BGB n.F..
-
bei Reisemängeln, wenn der Reisende die Ansprüche nicht innerhalb
eines Monats ab Reiseende die Mängel geltend macht § 651 g I
BGB
Beispiel:
Der O kommt von einer Reise, mit der er nicht zufrieden war am 31.
Mai zurück. Wenn er jetzt nicht bis zum 30. Juni seine Reisemängel
bei dem Veranstalter anzeigt und seine Ansprüche beim Veranstalter
geltend macht, so kann er den Reisepreis auch bei berechtigten Mängeln
nicht zurückerhalten.
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