2. Normenhierarchie im Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht basiert nicht auf einem einheitlichen
Arbeitsgesetz. Die Grundlage bilden die Vorschriften in § 611 ff BGB. Im Laufe der Zeit sind viele arbeitsrechtliche
Vorschriften in einer Vielzahl von Gesetzen hinzugekommen. Die Rechtsgrundlagen im Arbeitsrecht sind vielfältig. Diese Rechtsgrundlagen stehen
in einer hierarchischen Ordnung. Es gibt also stärkere Rechtssätze,
die Vorrang vor den schwächeren Rechtssätzen haben. Meist werden
die schwächeren Rechtssätze die stärkeren jedoch detaillierter beschreiben
und konkretisieren. (Normenhierarchie oder Normenpyramide im Arbeitsrecht)
Die Rangordnung lautet wie folgt:
a) Grundgesetz und Europarechtliche Vorschriften
Die stärksten Normen des Arbeitsrechtes also die Spitze der Normenpyramide sind im Grundgesetz und in
den Europarechtlichen Vorschriften verankert. Diese Vorschriften sind
als gleichrangig zu behandeln.
Das Grundgesetz ist jedoch grundsätzlich dem
Öffentlichen Recht zuzuordnen. Das bedeutet, dass die Normen - insbesondere die Grundrechte nur zwischen Staat und Bürger Anwendung finden, während sich das Arbeitsrecht stets im Bereich des
Privatrechtes abspielt. (Anders ist es bei Beamten, diese stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis und haben keine Arbeitsverträge)
Die Rechtsprechung hat dennoch entschieden, dass die Grundrechte auch auf das Arbeitsverhältnis wirken können.
Als wichtige Grundrechte, die auch im Arbeitsrecht Anwendung finden, sind hier zu nennen:
-
die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG - dieses Recht verbietet dem Staat
in bestimmter Weise Einfluss auf die Entscheidung für einen Beruf
(z.B. Abschaffung einer bestimmten Ausbildungsrichtung), auf die Erlernung
eines Berufes (z.B. Festlegung unnötiger persönlicher Voraussetzungen
wie Abitur für Einzelhandelskaufleute) und auf die Berufsausübung
(z.B. Stellung überhöhter Ansprüche an die Ausübung
eines Berufes) zu nehmen.
-
die Koalitionsfreiheit aus Art 9 GG - dieses Recht verbietet dem
Staat die Gründung und Betätigung von Gewerkschaften zu verhindern.
Abgeleitet wird hieraus auch das Recht auf Tariffreiheit (Abschluss
der Tarifverträge liegt allein im Verantwortungsbereich von Arbeitgeberverband
und Gewerkschaften) und damit auch das Streikrecht
-
der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG - dieser Grundsatz
gilt zwar eigentlich nur für die Gleichbehandlung der Bürger
durch staatliche Organe, jedoch wurde die Idee der Gleichbehandlung auch
auf die Arbeitsverhältnisse übertragen, so dass auch der
Arbeitgeber die Pflicht hat, die Arbeitnehmer bei gleichen Voraussetzungen
auch gleich zu behandeln.
Dieser Grundsatz ist durch die Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes AGG bekräftigt worden, der Arbeitnehmern, die wegen ihres Geschlechtes, Ihres Alters, ihrer ethnischen Herkunft, Ihrer Religion oder ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden, umfangreiche Rechte einräumt.
Weiterhin wurden durch die Europäische Union diverse Rechtsgrundlagen
geschaffen, die sofern sie direkt im EU-Vertrag oder EG-Vertrag geregelt
sind, direkt auf das Arbeitverhältnis wirken.
Hierzu gehört vor allem das Recht auf
Arbeitnehmerfreizügigkeit
innerhalb der EU-Staaten aus Art. 39 EGV, das heißt das Recht jedes
EU-Bürgers, sich innerhalb der EU seinen Arbeitsplatz frei zu wählen.
Weitere durch die EU geschaffene Rechtsgrundlagen entfalten ihre Wirkung
auf das Arbeitsverhältnis nur bedingt. So sind zum Beispiel Verordnungen
der EU stets auch für die Privatperson bindend. Richtlinien nur dann,
wenn Sie nicht rechtzeitig von dem jeweiligen Staat umgesetzt worden sind
und inhaltlich ausführbar sind. Hingegen sind Empfehlungen und Stellungnahmen
unverbindlich.
b) Gesetzesrecht
In der zweiten Ebene der Normenhierarchie ist das Gesetzesrecht anzusiedeln. Es umfasst
sämtliche Gesetze des Bundes und der Länder, sowie vorkonstitutionelle
Gesetze (Gesetze, die bereits vor dem Grundgesetz existierten - BGB,
HGB, ZPO). Zu den Gesetzen im Arbeitsrecht gehören vor allem das Kündigungsschutzgesetz
(KSchG), das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und viele mehr. Gesetzesvorschriften,
die gegen das Grundgesetz oder EU-Recht verstoßen können vor
dem Bundesverfassungsgericht/EuGH als unzulässig verworfen werden.
c) Tarifrecht
Eine weitere Ebene der Normenhierarchie bildet das Tarifrecht. Es umfasst alle Rechtsnormen,
die von den Tarifvertragsparteien (Gewerkschaften und Arbeitgeberverband
im Rahmen eines Tarifvertrages vereinbart wurde). Verstößt ein
Tarifvertrag gegen bindendes Gesetzesrecht oder dem übergeordnetes
Recht, so ist die Klausel unwirksam. Diese Feststellung kann auch das Arbeitsgericht
treffen.
d) Vertragsrecht/Betriebsvereinbarungen/Gesamtzusagen
Auf unterster Ebene der Normenhierarchie stehen die vertraglich vereinbarten Normen, welche
durch bestehende Betriebsvereinbarungen (Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) sowie die Gesamtzusagen (bindende Zusagen des Arbeitgebers) ergänzt werden. Ein Verstoß
dieser Normen gegen höherrangiges Recht hat unmittelbar deren Nichtigkeit
zur Folge. Diese beiden Rechtsquellen ergänzen einander, da eine Betriebsvereinbarung
durchaus den Arbeitsvertrag vorteilig abändern kann, der Arbeitsvertrag
eine Betriebsvereinbarung i. d. R. aber auch nur begünstigend abändert.
e) Weisungen Anordnungen
Keine Rechtsquellen im eigentlichen Sinn, aber Anhaltspunkte für die Pflichten im Arbeitsverhältnis stellen die Weisungen und Arbeitsanleitungen des Arbeitgebers bzw. des Vorgesetzten dar. Diese konkretisieren die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag.
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